Blutgerinnungsstörungen – was kann man dagegen tun?

Blutgerinnungsstörungen – was kann man dagegen tun?
Henrik Dolle / Adobe Stock
Inhaltsverzeichnis

Blutgerinnungsstörungen betreffen weltweit über 1 Prozent der Bevölkerung. Die Folgen von Blutgerinnungsstörungen sind unter ungünstigen Umständen tödlich. Betroffene werden mit akuten oder dauerhaften Therapien behandelt, die sich nach der Art der vorliegenden Blutgerinnungsstörungen richten. Welche das sind und welche Therapien und Maßnahmen effektiv helfen, ist jetzt Thema.

Welche Krankheiten gehören zu den Blutgerinnungsstörungen?

Unter dem Begriff der Blutgerinnungsstörungen fallen unterschiedliche Erkrankungen, denen eines gemeinsam ist: Die Blutgerinnung, auch Hämostase genannt, ist entweder zu stark oder zu schwach ausgeprägt.

Wenn Blut gerinnt, wird aus flüssigem Blut verklumptes Blut. Dieser Mechanismus ist lebenswichtig, denn er dämmt einen zu großen Blutverlust ein. Wenn die Blutgerinnung zu schwach ausgeprägt ist, können selbst kleine Wunden zu einem großen Blutverlust führen. Wenn im Gegenteil die Blutgerinnung zu stark ausgeprägt ist, können sich Gerinnsel bilden, die zum Beispiel zu einer tödlichen Lungenembolie führen.

Wir kennen zwei verschiedene Arten von Blutgerinnungsstörungen, nämlich die Minus- und die Plus- Blutgerinnungsstörung. Bei der Minus-Blutgerinnungsstörung verklumpt das Blut zu schwach bzw. zu langsam. Bei der Plus-Blutgerinnungsstörung verklumpt es zu stark bzw.

Minus-Blutgerinnungsstörungen

Die unter der Bezeichnung bekannte Bluterkrankheit (Hämophilie) betrifft fast ausschließlich männliche Patienten, auch bereits in sehr jungen Jahren. In Abhängigkeit davon, welcher Gerinnungsfaktor nicht vorhanden ist oder nicht arbeitet, gibt es die Krankheit Hämophilie A (Faktor VIII fehlt) und die Krankheit Hämophilie B (Faktor IX fehlt). Von Hämophilie A sind in Deutschland 0,0001 % betroffen, das entspricht einem Verhältnis von 1:10.000. Von Hämophilie B ist nur 1 Mensch von 30.000 betroffen.

Neben der Bluterkrankheit ist das Von-Willebrand- -Syndrom (vWS)bekannt. Bei dieser Krankheit liegt eine erhöhte Blutungsneigung vor. Patienten leiden unter häufigem Nasenbluten, Frauen sind beispielsweise auch von einer stärkeren Monatsblutung betroffen. Das Von-Willebrand-Syndrom ist vergleichsweise oft zu finden. In Deutschland leiden rund 1 % darunter, vielfach ohne es zu wissen. Dieser Online-Selbsttest des Netzswerks vWS deckt auf, ob eine Gerinnungsstörung vorliegen könnte. Zusammen mit der Bluterkrankheit macht das Von-Willebrand-Syndrom rund 95 % aller Minus-Blutgerinnungsstörungen aus.

Plus-Blutgerinnungsstörungen

Plus-Gerinnungsstörungen treten deutlich häufiger auf als Minus-Blutgerinnungsstörungen. Die bekannteste ist sicherlich die Thrombophilie, also die Thromboseneigung. Wenn Patienten unter Thrombophilie leiden, haben sich Bluteigenschaften wie zum Beispiel Zellen, Plasma oder Plasma krankhaft verändert. Das Risiko eines Gefäßverschlusses durch ein Blutgerinnsel ist hoch. Als Therapie werden blutverdünnende Mittel wie Acetylsalicylsäure oder Heprain verabreicht, die die Blutgerinnsel auflösen. In schweren Fällen bleibt nur die Operation, um ein Gerinnsel zu entfernen.

Behandlungsmöglichkeiten von vWS und Hämophilie im Fokus

Die Behandlungsmöglichkeiten richten sich im Einzelfall nach der Art der Blutgerinnungsstörung.

Übliche Behandlung des vWS

vWS tritt bei den meisten Betroffenen in einer milden Form auf. Eine Behandlungsmöglichkeit ist die Injektion von Desmopressin, einem Medikament, welches den Plasmaspiegel anhebt, um die Blutgerinnung kurzfristig zu erhöhen. Alternativ ist die Anwendung des Medikaments über ein Nasenspray möglich. Über die Schleimhäute gelangen die Wirkstoffe rasch in den Organismus. Diese Therapie ist geeignet, um kleinere Blutungen im Akutfall zu stoppen.

Behandlung von Hämophilie

Hämophilie-Patienten benötigen eine durchgängige Therapie. Sie müssen regelmäßig Medikamente erhalten, um ein sicheres und einigermaßen normales Leben führen zu können. Im Rahmen der Therapie werden Medikamente gegeben, die die fehlenden Faktoren VIII oder IX im Blut ersetzen. Die Behandlung betroffener Patienten erfolgt mit den sogenannten Faktorpräparaten. Faktorpräparaten werden auf unterschiedliche Art und Weise hergestellt und sie wirken unterschiedlich lange. Dabei unterscheiden Experten in drei Generationen der Faktorpräparate.

  1. Generation 1: menschliches Plasma als Basis

Faktorpräparate der 1. Generation gibt es bereits seit den 1960er Jahren. Sie werden auf Basis menschlichen Blutplasmas hergestellt. Früher bargen diese Präparate einige Nachteile, weil die Blutspenden nicht systematisch auf mögliche Krankheitserreger untersucht wurden und es zu Infektionen kam. Diese Problematik ist inzwischen ausgeräumt, die Medikamente sind sicher. Plasmapräparate werden gründlich untersucht und Krankheitserreger eliminiert.

  1. Generation 2: Biotechnologische Verfahren

    Faktorpräparaten der Generation 2 werden mit biotechnologischen Verfahren hergestellt. Dabei wird die genetische Information des Bauplans von Faktor VIII in tierische Zellen eingeschleust. Diese produzieren fortan menschliche Proteine, die wiederum in den menschlichen Organismus injiziert werden. Das Infektionsrisiko ist sehr gering, da kein menschliches Blutplasma benutzt wird.
  2. Generation 3: Faktorpräparate mit längerer Wirkdauer

    Standard-Faktorpräparaten wirken ein bis zwei Tage. Für Patienten bedeutet das, dass sie drei bis viermal wöchentlich Termine für die erforderlichen Injektionen vereinbaren und wahrnehmen müssen. Für viele Berufstätige Patienten ist das sehr schwer mit den Arbeitszeiten zu vereinbaren. Faktorpräparate mit einer verlängerten Halbwertszeit, die auch als Extended-Half-Life*–Medikamente bezeichnet werden (*kurz EHL), verlängern die Wirkungsdauer. Das bedeutet, dass Patienten deutlich seltener Injektionstermine wahrnehmen müssen. Je länger die Halbwertszeit, desto weniger Termine sind nötig. Je kürzer die Halbwertszeit, desto häufiger müssen Patienten nachspritzen lassen.

Patientenorientierte Versorgungswege seit September 2020

Waren in der Vergangenheit Patienten auf die Versorgung mit Faktorpräparaten über ein Hämophiliezentrum oder den behandelnden Arzt angewiesen, hat sich zum 1. September 2020 ein grundlegender Wandel in der Versorgungspolitik vollzogen. Das Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) gibt diesen neuen Versorgungsweg nun vor. Die Arzneimittel sind per Rezept des behandelnden Arztes über entsprechende Apotheken zu beziehen, zum Beispiel über die Hohenzollernapotheke in Münster. Diese Apotheke ist hoch spezialisiert und bietet eine Expertise im Bereich Hämophilie-Patientenversorgung. Kunden der Apotheke kommunizieren mit einem persönlichen Ansprechpartner und profitieren von der hohen Lieferfähigkeit der Medikamente. Die Lieferung erfolgt unter Einhaltung der notwendigen Kühlkette auf Wunsch direkt nach Hause oder zum behandelnden Arzt. Lange Anfahrten zu weit entfernt liegenden Gerinnungszentren gehören damit der Vergangenheit an.

In Apotheken erhalten Patienten nun ihre lebensnotwendigen Präparate.

Betroffene Bluter gewinnen mit der neuen Verordnung nicht nur viel Zeit, sondern auch ein Stück Lebensqualität zurück. Werden sie mit EHL-Medikamenten versorgt, reduziert sich die Anzahl der Termine bei ihrem behandelnden Arzt drastisch und es bleibt im Alltag viel mehr Zeit für ganz gewöhnliche Freizeitaktivitäten.

Tipps: Soforthilfe bei kleinen Verletzungen

Verletzungen im Alltag können für Bluter schwerwiegende Konsequenzen haben. Bei kleinen Verletzungen gibt es einige Sofortmaßnahmen, die Betroffene kennen sollten:

  1. Ruhe bewahren und eine Pause einlegen.
  2. Verletzung mit Eis oder einem Kühlkissen schnellstmöglich kühlen. Die Verletzung sollte mit einem Tuch abgedeckt werden, bevor das Kühlelement aufgelegt wird.
  3. Die Wunde mit einem straffen Druckverband verbinden und das verletzte Körperteil hoch lagern.

Falls es nicht gelingt, die Blutung selbst zu stoppen oder wenn es sich um eine größere Verletzung handelt, sollten Verletzte sofort die nächste Arztpraxis aufsuchen und sich umgehend behandeln lassen. Ist keine Arztpraxis in der Nähe, ist eine Apotheke als Anlaufstelle ebenfalls geeignet. Apotheker und pharmazeutischen Mitarbeiter wissen besser als jeder andere, was im Notfall zu tun ist und stellen zum Beispiel den nötigen Kontakt zu einem Arzt her und leiten ggf. andere notwendige Maßnahmen ein.