Familiär gehäuft auftretende Krebserkrankungen

Kalender mit Krebsvorsorge-Eintrag
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Niemand spricht gern über Krebs. Dennoch kann ein offenes Gespräch darüber innerhalb der Familie eine wichtige Möglichkeit sein, mehr über Ihr eigenes Risiko zu erfahren.

In einigen Familien wird ein erbliches Erkrankungsrisiko von einer Generation auf die nächste übertragen. Es ist leichter für Sie, Ihr eigenes Risiko einzuschätzen, wenn Sie Ihre familiäre Vorgeschichte bezogen auf Krebserkrankungen kennen.

Gegebenenfalls können Sie dann Maßnahmen ergreifen, um den Ausbruch der Krebserkrankung bei Ihnen und anderen Familienmitgliedern zu verhüten.

Allgemeines

95% der Personen, die an Krebs erkrankt sind, hatten bei ihrer Geburt keine genetische Anlage für diese Krankheit. Vielmehr sind deren Krebserkrankungen in Folge genetischer Veränderungen (Mutationen) entstanden, die im Verlauf ihres Lebens in den Körperzellen auftraten.

Wenn wichtige Gene einer Zelle in einer bestimmten Kombination gehäuft mutieren, können diese Zellen beginnen, sich sehr stark zu vermehren. Die Folge kann eine Geschwulst (Tumor) sein.

Genmutationen, mit denen wir nicht geboren wurden, werden somatische Mutationen genannt. Die Ursache für somatische Mutationen sind nicht immer bekannt. Faktoren wie Rauchen, Strahlenexposition oder der Alterungsprozess können Auslöser sein.

Für die restlichen 5% der an Krebs erkrankten Personen bedingen Genmutationen, die bereits bei der Geburt in der entsprechenden Zelle vorhanden waren, die Entstehung des Krebses.

Derartige Krebserkrankungen können familiär gehäuft auftreten.

Blutkörperchen und Krebszelle - Grafik, Krebs
Sebastian Kaulitzki - Fotolia

Was bedeutet eine Genmutation?

Mit einer Genmutation geboren zu werden, bedeutet nicht, dass Sie in jedem Fall an der entsprechenden Krebsart erkranken.

Damit sich eine normale Zelle in eine Krebszelle verwandelt, müssen im Verlauf Ihres Lebens zusätzliche Gene in einer bestimmten kritischen Konstellation mutieren.

Werden Sie bereits mit einem mutierten Gen geboren, haben Sie von vornherein ein größeres Risiko, an Krebs zu erkranken, als Menschen, die ohne Genmutation geboren wurden.

Die Wahrscheinlichkeit, dass Sie bereits in jungen Jahren an Krebs erkranken, ist dann größer als bei jemandem ohne familiär gehäuft auftretende Krebserkrankung. Birgt Ihr Lebensstil zudem noch andere Risikofaktoren für die Entstehung von Krebs, steigt Ihr Risiko weiter an.

3 Typen der am häufigsten vorkommenden familiär gehäuft auftretenden Krebserkrankungen sind:

  • Hereditäres Brust-Eierstock-Krebssyndrom 1 – Mutiert das Brustkrebsgen Nr. 1 einer Frau, erhöht sich deren Risiko, im Verlauf ihres Lebens an Brustkrebs zu erkranken, auf 60% bis 80%. Zusätzlich steigt das Risiko für die Entstehung von Eierstockkrebs auf 20% bis 40% an.
  • Hereditäres Brust-Eierstock-Krebssyndrom 2 – Bei Mutationen im Brustkrebsgen Nr. 2 erhöht sich das Risiko einer Frau, im Verlauf ihres Lebens einen Brustkrebs zu entwickeln, ebenfalls auf 60% bis 80%. Das Risiko an Eierstockkrebs zu erkranken erhöht sich auf circa 15% bis 27%.
  • Hereditäres Polyposis coli-Krebssyndrom – Menschen, die an einer so genannten familiären Polyposis coli leiden, haben im Laufe ihres Lebens ein etwa 80%iges Risiko, an Dickdarmkrebs zu erkranken. Mit diesem Syndrom sind auch andere Krebsarten assoziiert.

So erstellen Sie einen Krankheitsstammbaum

Ein erster Schritt, um eine mögliche familiär gehäuft auftretende Krebserkrankung herauszufinden, ist die Erstellung einer Familienanamnese beziehungsweise eines Familienstammbaums.

Versuchen Sie, in 3 oder 4 Generationen aufgetretene Krankheiten zu dokumentieren einschließlich der Großeltern und deren Nachkommen, Cousinen und Cousins ersten Grades und Ihrer eigenen Kinder.

Schreiben Sie so viel wie möglich an Informationen über Ihre Verwandten nieder. Dazu gehören das Geschlecht, Geburtsjahr und Krankheiten.

Wenn bei einer Person Krebs diagnostiziert wurde, schreiben Sie den Typ und das Alter der Diagnosestellung auf. Fügen Sie auch wichtige Informationen bezüglich des Lebensstils hinzu wie Rauchen, übermäßiger Alkoholkonsum oder Übergewicht.

Wenn die Personen verstorben sind, nennen Sie den Todeszeitpunkt und die Todesursache.

Ein auf Genetik spezialisierter Arzt kann Ihnen dabei helfen, die medizinische Vorgeschichte Ihrer Familie zu interpretieren. Halten Sie Ausschau nach folgendem Muster:

  • mehrere Generationen hintereinander, die an Krebs erkrankten
  • ähnliche Arten von Krebserkrankungen
  • unterdurchschnittliches Alter bei Diagnosestellung einer bestimmten Krebserkrankung
  • ein symmetrisches, paarweises Auftreten einer Krebserkrankung, zum Beispiel Brustkrebs in beiden Brüsten
  • Krebserkrankungen in zwei größeren Organsystemen wie beispielsweise Brust- und Eierstockkrebs oder Darm- und Gebärmutterkrebs

Wenn in Ihrer Familiengeschichte irgendeines dieser Muster vorkommt, kann eine Risikoeinschätzung durch einen Spezialisten hilfreich sein. Vielleicht lassen Sie sich dann genetisch untersuchen.

Eine Blutuntersuchung kann mutierte Gene nachweisen, die Sie für eine Krebserkrankung prädisponieren.

Diese Strategien helfen Ihnen bei der Vorbeugung

Wenn bei Ihnen ein hohes Krebsrisiko vorliegt, können Sie Schritte unternehmen, um einer Krebserkrankung vorzubeugen, oder dass die Diagnose in einem frühen Stadium der Erkrankung gestellt.

Zu den Möglichkeiten gehören:

  1. Traditionelle Früherkennungsuntersuchungen (nicht genetische Untersuchungen) und regelmäßige Kontrollen.
  2. Operative Entfernung von Organen, die an Krebs erkranken könnten wie zum Beispiel Brust oder Eierstöcke. Das ist jedoch nicht hundertprozentig sicher und auch nicht für jeden geeignet.
  3. Hören Sie mit dem Rauchen auf, trinken Sie nur mäßig Alkohol, treiben Sie regelmäßig Sport und ernähren Sie sich gesund. Damit können Sie Ihr Risiko reduzieren.

Allgemeines über genetisch bedingte Krankheiten

Der menschliche Körper besteht aus 60 Billionen Zellen. In jedem Zellkern befinden sich 23 Chromosomenpaare. Jedes Chromosom enthält Tausende von Genen, in denen die Erbanlagen festgelegt sind.

Mit Hilfe der chemischen DNS weisen die Gene die Zellen an, Proteine zu bilden. Die Instruktionen erfolgen über den spezifischen Code der vier Moleküle Adenin, Thymin, Cytosin und Guanin.

Ein einziger Fehler in einem dieser Codes führt dazu, dass die Störung der Funktion eines Proteins eine Krankheit auslöst.

Einige Proteine steuern chemische Reaktionen in den Zellen. Manche stützen die Zellstruktur. Hormone etwa regulieren eine Reihe von Funktionen wie Wachstum, Stoffwechsel, Fortpflanzung und die Reaktion auf Umweltfaktoren.

Der DNS-Code bestimmt die Zusammensetzung eines Proteins. Aus dem Grund bedeutet jede Abweichung in der Reihenfolge von A, T, C und C, dass eine Zelle möglicherweise die falsche Menge an Protein bildet oder aber ein abnormaler Zellaufbau entsteht.

Diese Fehler können die Ursache für eine Krankheit darstellen.

Genetischen Ursachen auf der Spur

Erbliche Leiden wie die zystische Fibrose (Mukoviszidose, eine Stoffwechselstörung) und die Sichelzellenanämie (Blutarmut) verursacht ein Defekt eines einzelnen Gens, der von Geburt an vorhanden ist.

Viele andere Krankheiten wie Krebs, Herzerkrankungen und AIDS entstehen durch Schädigungen an einem oder mehreren Genen.

Wissenschaftlern gelang es, seit den 1980er Jahren für mehr als 50 Erbkrankheiten genetische Defekte nachzuweisen. In den letzten Jahren fanden Wissenschaftler heraus, dass ein oder mehrere genetische Faktoren bei den nachfolgenden Krankheiten eine Rolle spielen:

Bei welchen Krankheiten spielen Gene eine Rolle?

  • Amyotrophische Lateralsklerose (ALS) – Bei der in den USA als Lou-Gehrig-Krankheit bekannten ALS erfolgt eine Degeneration der Nervenzellen in Bereichen des Gehirns und des Rückenmarks, welche die Muskeln steuern. Bei etwa 10 Prozent der Menschen mit ALS rührt diese tödliche Krankheit von einem Fehler auf dem SOD1-Gen her. Dieses Gen hat normalerweise die Funktion einer Schutzpolizei, denn es schützt die Zellen vor Schädigungen durch freie Radikale. Wie dieser Defekt eine Degeneration der Nervenzellen auslöst, ist bislang nicht bekannt.
  • Asthma – Forscher fanden ein Gen, das möglicherweise eine chronische Lungenentzündung verursacht. Asthma entsteht wahrscheinlich durch eine Reihe verschiedener Faktoren oder genetischer Defekte.
  • Chorea Huntington – Bei Menschen mit dieser erblichen, tödlich verlaufenden neurologischen Erkrankung mit fortschreitendem Verlust der Muskelkontrolle und Demenz liegt ein Defekt auf dem IT15-Gen vor. Die Chorea Huntington gilt als seltene Krankheit. Die Häufigkeit ist regional unterschiedlich und beläuft sich in Europa im Allgemeinen auf fünf bis zehn Erkrankungsfällen pro 100.000 Einwohner pro Jahr. Bei Kindern von Eltern mit Chorea Huntington besteht eine Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent, dass sie das Generbten und diese Krankheit entwickeln.
  • Malignes Melanom – Manchen Patienten mit erhöhtem Risiko für diesen tödlichen Hautkrebs fehlt entweder das Gen P16 oder sie besitzen eine mutierte Version davon. Defekte auf anderen Genen spielen hierbei eine Rolle. 12 von 100.000 Deutschen erkranken nach Angaben des Statistischen Bundesamts derzeit jährlich an dieser bösartigen Form von Hautkrebs (mit einer Häufigkeitsverdopplung alle 15 Jahre). Jeder vierte bis fünfte Patient stirbt an diesem Tumor. 10 Prozent der Erkrankungsfälle sind unter Umständen erblich bedingt.
  • Fettsucht (Adipositas) – Das für Fettleibigkeit verantwortliche Gen ist wahrscheinlich für die Erhaltung eines gesunden Körpergewichts von großer Bedeutung. Laut Wissenschaftlern verhindert ein defektes Gen die Bildung eines hormonähnlichen Proteins. Dieses trägt zur Steuerung des Appetits bei.
  • Alzheimer’sehe Krankheit – Bei der erblichen Form dieser neurologischen Krankheit wiesen Wissenschaftler vier defekte Gene nach. Die erblich bedingte Alzheimer’sche Krankheit macht etwa 10 Prozent der Fälle aus und tritt vor dem 65. Lebensjahr auf. Ein weiteres Gen (APOE 4) stellt einen Risikofaktor für den späten Ausbruch der Alzheimer-Krankheit dar, dem häufigeren Erscheinungsbild dieser Erkrankung.
  • Brustkrebs – Die beiden Gene BRCA1 und BRCA2 sind unter Umständen der Auslöser für einige erbliche Formen von Brust-und Eierstockkrebs. Bei 5 Prozent der Patientinnen ist Brustkrebs erblich bedingt. Nur etwa eine von 200 bis 400 Frauen erbt ein defektes BRCA1-Gen. In Familien mit Brustkrebs im frühen Lebensalter befindet sich dieses defekte Gen in weniger als der Hälfte der Frauen, bei denen sich der Brustkrebs bildet. In Familien, in denen sowohl Brust- als auch Eierstockkrebs im frühen Lebensalter ausbrechen, ist dies wahrscheinlich in 80 Prozent der Fälle auf das BRCA1-Gen zurückzuführen.BRCA1 spielt des Weiteren bei einigen nicht erblich bedingten Formen von Brust- und Eierstockkrebs eine Rolle.
  • Dickdarmkrebs – Wissenschaftler wiesen mehrere Gene nach, die für eine weitverbreitete Form von erblich bedingtem Dickdarm- und Mastdarmkrebs verantwortlich sind. Diese Krebsart befällt in der Regel jüngere Erwachsene und verursacht etwa 5 bis 10 Prozent aller Fällle von Dickdarmkrebs.

Therapie und Heilung

Wenn Forscher einen Zusammenhang zwischen einem Gen und einer bestimmten Krankheit feststellten, müssen sie herausfinden, ob andere Gene oder Defekte beteiligt sind.

Nach Schätzungen von Wissenschaftlern gibt es bei den beiden Genen, die mitverantwortlich sind für erblich bedingten Brust-und Eierstockkrebs, mindestens 38 Mutationen des BRCA1-Gens.

Als nächster Schritt entwickelt man einen Test zum Nachweisen des genetischen Defekts.

Dies erfolgt in vielen Fällen durch die Analyse einer Blutprobe. Durch Blutuntersuchungen lassen sich viele Erbkrankheiten nachweisen wie zystische Fibrose, Chorea Huntington und Hämophilie (Bluterkrankheit).

Die Entwicklung eines Tests zum Nachweis der Chorea Huntington dauerte wenige Monate. Bei anderen Krankheiten mit mehreren genetischen Verbindungen dauert dies länger.

Genetische Testverfahren zum Nachweis von erblichem Brust- und Dickdarmkrebs kommen innerhalb der nächsten zwei Jahre auf den Markt. In der Regel beschränken sich die genetischen Testverfahren lediglich auf die Ermittlung des Risikos.

Ethische Fragen

Eine Krankheitsdiagnose kann man dadurch nicht stellen. In solchen Situationen hilft eine Beratung hinsichtlich der Familienplanung und der Lebensweise.

Solange die Forschung keine Behandlungsmethoden für Patienten mit erhöhtem Risiko entwickelte, haben diese Tests einen beschränkten Nutzungswert.

Darüner hinaus erschwert man die wissenschaftlichen Aspekte durch ethische Fragen. Wie denken Sie beispielsweise darüber, einen Test zum Nachweis einer unbehandelbaren Krankheit zu machen?

Möchten Sie wissen, ob Sie die Erbanlage für eine Krankheit besitzen, die erst Jahre später auftreten könnte? Inwieweit ist der Datenschutz durch das Krankenhaus gewährleistet?

Sollten Sie wissen, ob Ihr ungeborenes Kind eine unheilbare Krankheit entwickelt?

Die Reparatur des Defekts

Als vielversprechende Behandlungsmethode für erblich bedingte Krankheiten gilt die Gentherapie. Bei dieser experimentellen Methode injiziert der Arzt gesunde Gene ins Blut oder Gewebe. Die Gene sind in Molekülen enthalten, deren Zielsetzung es ist, defekte Zellen aufzuspüren.

In der Regel sind die Träger veränderte Viruspartikel, damit sie keine Krankheiten verursachen. Wenn ein Träger an seinem Ziel ankommt, lädt er die Gene ab.

Die Aufgabe dieser neuen Gene besteht darin, sich zu aktivieren oder „mitzuteilen“, um die Mutation zu korrigieren oder die defekte Zelle für eine medikamentöse Behandlung empfänglich zu machen.

Obwohl erst fünf Jahre alt, testete man die Gentherapie in mehr als 100 klinischen Versuchen.

Vor einiger Zeit berichteten die Forscher von der ersten erfolgreichen Gentherapie. Zwei kleine Kinder litten unter schwerem kombinierten Immundefekt (SCID). Dies bezeichnet eine seltene Erbkrankheit, bei der das Immunsystem gestört ist. Dabei injizierten die Ärzte gesunde Gene.

Wie aus ersten Berichten hervorgeht, gliederten die angesteuerten Zellen die neuen Gene ein. Andere Experimente zeigen nicht so vielversprechende Ergebnisse.

Bei der zystischen Fibrose und der Muskeldystrophie (fortschreitende Muskelerkrankung mit genetischem Defekt) gelang es den Forschern nicht, genetische Mutationen mit Hilfe der Gentherapie zu korrigieren.

Bei diesen und anderen erblich bedingten Krankheiten bleiben die herkömmlichen medizinischen und chirurgischen Behandlungsmethoden am zweckmäßigsten.

Ein langer Weg

Durch die genaue Bestimmung spezifischer Gene sind Wissenschaftler in der Lage, die darin enthaltenen Erbinformationen von schätzungsweise 3 Billionen Bits zu decodieren. Dies ist der erste Schritt, um den molekularen Ursprung einer Erbkrankheit zu verstehen und diese zu heilen.

Der Weg von der Entdeckung bis zur Therapie ist langwierig, schwer und teuer. Im letzten Jahrzehnt sammelte die Wissenschaft Daten über rund 6.300 menschliche Gene.

Während die Genanalyse weiter geht, entwickelt sich die Behandlung von Erbkrankheiten durch eine Fehlerkorrektur oder das Ersetzen des abnormen Gens zur Wirklichkeit.